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Der Zufall bietet ungeahnte Chancen

Zunächst ist der Zufall weder gut noch schlecht. Es gibt glückliche Zufälle, auf die niemand verzichten will. Oder er ist beides. Reinhard K. Sprenger weiß: „Für die Evolution hingegen ist der Zufall eindeutig gut – als Überlebensprinzip. Die Biologie liebt die kleinen Kopierfehler bei der Herstellung von Imitationen. Über Sex werden die Erbanlagen zweier Individuen zufällig gemischt und auf gemeinsame Nachkommen verteilt.“ Die Bandbreite möglicher Varianz erhöht sich damit exponentiell. Das wiederum ist wichtig gegen evolutionäre Wettbewerber. Sie können sich umso schlechter auf jemanden einstellen, der häufig die Form wechselt. Dasselbe gilt für ökonomische Akteure: Wirtschaftlich erfolgreich sind jene, die nicht ausrechenbar sind. Die Chancen sehen, die der Zufall bietet. Und handeln. Ersteres tun manche, das zweite ist seltener. Reinhard K. Sprenger, promovierter Philosoph, ist einer der profiliertesten Führungsexperten Deutschlands.

Ohne Zufall gibt es keine Erzählung

Viele hat der Zufall gerufen, aber wenige haben ihn auserwählt. Evident ist ebenso, dass man sich als Individuum nicht durch planerische Erfolge entwickelt, sondern durch Schwierigkeiten. Reinhard K. Sprenger stellt fest: „Wer den Zufall auszuschalten versucht, leidet mithin an Misserfolgsarmut. Zudem übersieht er die Blumen am Wegesrand. Überraschend Neues entsteht oft aus einem Zustand, der auf den ersten Blick wie eine Katastrophe wirkt.“

Das Unvorhergesehene bietet zumindest die Möglichkeit, neuer, anders, besser zu sein als zuvor. Und weil ihm etwas dazwischengekommen ist, hat er auch eine Geschichte, die der Persönlichkeit Form gibt. Reinhard K. Sprenger erklärt: „Die ist erzählenswert. Ohne Zufall keine Erzählung! Wer sie mitteilen will, sollte daher seine Selbstwirksamkeit relativieren: Unsere Geburt ist uns zugefallen, unser Land, in dem wir aufgewachsen sind, unsere Herkunftsfamilie, die Zeitbedingungen. Das haben wir nicht gewählt, da stecken wir drin.“

Die Welt ist eine Realisation von Freiheit

Wer dafür votiert, dass alles dem Walten eines unpersönlichen Fatums unterliegt, kommt gleichwohl um den Zufall nicht herum. Die Welt, so wie sie ist, hätte der Schöpfer auch anders gestalten können, unbegrenzt. Sie ist also eine Schöpferlaune, insofern Realisation von Freiheit. Diese wiederum ist Voraussetzung der Reaktion eines Menschen auf das Zugefallene, einer beobachtenden und reagierenden Freiheit, einer Freiheit zweiter Ordnung.

Reinhard K. Sprenger betont: „Deshalb dementiert der Zufall nicht die menschliche Freiheit, sondern ist ihre Bedingung. Angesichts des Zufalls sind wir also herausgefordert, uns in der Freiheit zu üben und die Gelegenheiten zu nutzen, deren endliche Summe das ganze Leben ist.“ Konkreter noch: Wenn es nur einen einzigen Menschen gibt, der auf dieselbe Zufälligkeit unterschiedlich reagiert, reicht das aus für Selbstverantwortung. Nur auf den schicksalhaftesten aller Zufälle kann man nicht reagieren – auf den eigenen Tod. Quelle: „Gehirnwäsche trage ich nicht“ von Reinhard K. Sprenger

Von Hans Klumbies

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